Unpopuläre Volksinitiative – zu Unrecht? – Idea Spektrum

Unpopuläre Volksinitiative – zu Unrecht? – Idea Spektrum

Unpopuläre Volksinitiative – zu Unrecht? – Idea Spektrum 715 358 Philipp Hadorn

PRO

Cornelia Keller ist Vizepräsidentin Ecopop und Mediensprecherin. Die Rechtsanwältin war lange Zeit Reiseleiterin; sie ist Mutter eines Sohnes, parteilos und wohnt in der Region Brugg.

An der ersten Umweltkonferenz in Rio 1992 hat die Weltgemeinschaft beschlossen, dass alle Nationalstaaten auf ihrem Gebiet nicht nachhaltige Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten beseitigen und eine geeignete Bevölkerungspolitik fördern sollen. Dies getreu dem Grundsatz „Global denken – lokal handeln“. Wenn jedes Land für Nachhaltigkeit sorgt, so sind die weltweiten Umweltprobleme behoben. Die Schweiz hat die Erklärung von Rio mitunterzeichnet. Der Verein Ecopop möchte mit seiner Initiative bewirken, dass dieser wichtige Grundsatz endlich umgesetzt wird

An der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 wurde festgehalten, dass alle Länder verantwortlich sind für eine den Lebensgrundlagen angepasste Bevölkerungspolitik. Vor allem wurde das Ziel gesteckt, bis 2015 das Menschenrecht auf „freiwillige Familienplanung“ weltweit umzusetzen. Ecopop fordert bloss zehn Prozent der Entwicklungshilfe, um Frauen und Paaren in Gebieten der Schweizerischen Entwicklungshilfe zu diesem Recht zu verhelfen. Dieses Anliegen ist dringlich.

Seit der Personenfreizügigkeit stagniert das Bruttoinlandprodukt, nimmt die Arbeitsproduktivität ab, steigt die Arbeitslosenquote. Weder Wirtschaft noch Bevölkerung kann auf begrenztem Raum ewig wachsen. Bis das System kippt, wird munter auf der Titanic getanzt …

Die Gier nach „immer mehr“ kostet uns die natürlichen Lebensgrundlagen, Artenvielfalt und unsere schönen Landschaften. Bis 2050 wird die Bevölkerung ohne Ecopop auf 12 Millionen Menschen ansteigen und alle zehn Jahre um eine weitere Million. Im Mittelland wird es keine ländliche Schweiz mehr geben; die allermeisten werden in Hochhäusern wohnen. Die grundlegende Frage ist: Wozu sollen wir solche Einbussen in unserer Lebensqualität hinnehmen? Es gibt keinen Grund dazu und es dient niemandem, ausser einigen wenigen Profiteuren.

KONTRA

Philipp Hadorn ist Nationalrat SP, Zentralsekretär der Gewerkschaft SEV und Präsident Blaues Kreuz Schweiz. Er lebt mit Frau und drei Söhnen in Gerlafingen SO und ist Mitglied der EMK.

Die langjährige fremdenfeindliche Kampagne rechtsbürgerlicher Kreise treibt Knospen: Jährlich muss sich das Parlament, regelmässig das Volk mit Vorlagen zu Einwanderung und Asylsuchenden beschäftigen. Menschen wurden in Angst versetzt. Tragisch, wenn diese Angst auch Christen einholt. Für Verfolgte erflehen wir das Eingreifen Gottes. Stehen die Geretteten vor der Tür, siegt die Furcht: Teilen, fremde Einflüsse und Parteinahme für Verfolgte werden plötzlich zur Bedrohung. Die Gnade Christi ist umsonst, Nachfolge hat ihren Preis und stellt offensichtlich den Glauben vieler auf die Probe.

Richtigerweise erinnert uns die Ecopop-Initiative an unsere Verantwortung im Umgang mit Ressourcen. Jetzt allerdings die Einwanderung mit fixem Prozentzehntel zu limitieren, verkennt die Unplanbarkeit der Anzahl Notsuchender, die Zusammenführung zerrissener Familien, die Bedeutung Grenzen sprengender Ehen und den Bedarf der Wirtschaft. Nachweisbar beruht unser Wohlstand auf Migration, die Sozialwerke werden durch Zuwanderung gesichert und Alters- und Krankheitspflege wären ohne „Fremde“ schon längst kollabiert. Auch Handel, Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen funktionieren nur dank dieser Unterstützung – für mich sichtbare Segenszeichen einer „offenen Schweiz“.

Nicht Familienplanung, sondern Investitionen vor Ort gegen Armut, in Bildung, in die Würde von Frau und Mann statt aufgezwungene Familienplanung können in Entwicklungsländern vorhandene Probleme lösen.

Wichtig ist mir allerdings, dass wir dem Aufruf Christi folgen und den Nächsten so annehmen, wie uns Chris-tus angenommen hat – voraussetzungslos, verbunden mit Vorstellungs-sprengender Opferbereitschaft, frei von Angst. Erteilen wir der braunen Initiative in grünem Mäntelchen eine klare Abfuhr!

Darum geht es bei der Abstimmung 

Die Initiative verlangt die Eindämmung des nationalen und globalen Bevölkerungswachstums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: Das Bevölkerungswachstum würde auf 0,2 % oder 16 000 Personen pro Jahr reduziert, das Budget für die Familienplanung in Entwicklungsländern würde von bisher rund 20 auf 200 Millionen pro Jahr erhöht. Argumente dafür: Eine Beschränkung des Bevölkerungswachstums beendet Umweltzerstörung und Ressourcenverknappung. Die Lebensqualität steigt, etwa bei Mietzinsen oder Verkehr. Klimawandel und Ressourcenverbrauch müssen global angegangen werden. Argumente dagegen: Für das Ökosystem spielt es keine Rolle, wo eine Person lebt. Die Bilateralen I könnten gekündigt werden. Für die Unternehmen dürfte es schwierig werden, ausreichend qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren. (Quelle: vimentis.ch; red. tf).

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN AM 18. NOVEMBER 2014 IM IDEA SPEKTRUM SCHWEIZ