Neuanfang in Würde – Insist

Neuanfang in Würde – Insist

Neuanfang in Würde – Insist 150 150 Philipp Hadorn

Nun ist die Frau umgezogen, 84-jährig, aus ihrem Einfamilienhaus. Nicht ganz einfach nach 49 Jahren. Ihr Ehemann ist bereits vor gut 11 Jahren verstorben. Die vier Kinder haben in diesem Haus ihre Jugend verbracht. Vor wenigen Wochen galt es Abschied zu nehmen vom Blick auf die Berner Alpen und von den unzähligen Erinnerungen. Vom 3000-Seelen-Dorf ging es in eine Wohnung in der nahegelegenen Kleinstadt. Der Supermarkt ist nun gleich nebenan, der Stadt-Märit im Zentrum in 10 Minuten zu Fuss erreichbar, es gibt auch ein Theater und einen Konzertsaal. Die neue, helle Wohnung ist barrierefrei und der Lift Standard. Die Bushaltestelle liegt nah, ebenso das Altersheim.

Der Abschied ist ihr nicht ganz einfach gefallen. Bereitschaft für neue Kontakte, Freude am kürzeren Weg zur christlichen Gemeinde sowie das Bedürfnis nach Entlastung in Haushalt und Garten haben sie zu diesem Schritt motiviert. Dank Renten aus AHV und Pensionskasse und Erspartem kann sie sich frei von materiellen Sorgen an die neue Herausforderung wagen. Noch lassen es die Kräfte zu.

Nicht wenig ältere Menschen sehen sich neben ihren schwindenden Kräften und zunehmenden Gebrechen auch mit materiellen Sorgen konfrontiert. Die demographische Entwicklung führt in der Alterspolitik zu einigem Kopfzerbrechen. Während Bürgerliche das Rentenalter erhöhen wollen, machen Gewerkschaften und SP geltend, dass die Rente laut der AHVplus-Initiative ausgebaut werden müsse. Es gehe dabei um die Würde und Selbständigkeit im Alter. Finanzierungsvorschläge aus Erbschafts- und Mehrwertsteuer stehen zur Diskussion, auch eine stärkere Steuer-Progression.

Als Christ erhalte ich meine Würde und meinen Wert aus der Gnade Christi. Dem Mitmenschen, meinem Nächsten, kann eine Gesellschaft auch dadurch Würde schenken, dass Lebensqualität in jeder Situation, auch im Alter gesichert ist – auch materiell. Und: Ach ja, meine Mutter lebt sich ganz gut ein in Solothurn.

Philipp Hadorn, 48 j., ist SP-Nationalrat, Zentralsekretär der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV und lebt mit seiner Frau und den drei Jungs in Gerlafingen SO, wo er sich in der evangelisch-methodistischen Kirche engagiert.

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN IM April 2015 IM MAGAZIN INSIST

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