SBB Cargo verlagert Güter auf die Strasse

SBB Cargo verlagert Güter auf die Strasse

SBB Cargo verlagert Güter auf die Strasse 634 292 Philipp Hadorn

800 Stellen und 170 Bedienpunkte im Visier: «Fitnessprogramm» ist eine gefährliche Abmagerungskur

SBB Cargo verlagert Güter auf die Strasse

SBB Cargo plant bei Personal und Wagenla-dungsverkehr den Kahlschlag. Dieser ist übereilt, strategisch falsch, stösst die Kunden vor den Kopf und verlagert Güter auf die Strasse – auf Kosten von Bevölkerung, Umwelt und Personal. Darum ist der SEV dagegen. Dass die SBB-Führung gleichzeitig den Kündigungsschutz im GAV angreift, ist sozial unsensibel und völlig inakzeptabel.

Der für Cargo zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn kritisiert den Abbau Hunderter Stellen in Fläche und Zentrale im Eiltempo als vermessen und schädlich: «Die letzten Reorganisationen sind noch nicht fertig umgesetzt und führen schon jetzt zu Personalengpässen und prekären Situationen. Die Verunsicherung der Mitarbeitenden ist enorm, viele arbeiten am Limit oder darüber. Zusammen mit den ungeheuerlichen Forderun- gen der SBB bei den GAV-Verhandlungen kann dieser weitere Angriff auf das Personal zu Massnahmen des Zornes und Kampfes führen! Mit den be- troffenen Mitgliedersektionen werden wir unser weiteres Vorgehen besprechen.

SBB-Spitze dramatisiert

Die SBB-Führung begründet den massiven Abbau von Stellen und Bedienpunkten mit dem Cargo-Defizit 2017 und dem «beschleunigten Rückgang» der Nachfrage beim Einzel-WLV im letzten Jahr. Doch sie verschweigt, dass sie diesen Rückgang selber mitverursacht hat, indem sie den Start des «WLV17» im Dezember 2016 dermassen schlecht plante, dass unzählige Pannen die Kunden vergraulten und ständige Notlösungen und Korrekturen nötig machten, was den Aufwand erhöhte, während der Umsatz sank. «Hätten nicht die Mitarbeitenden mit grossem Einsatz und hoher Flexibilität vieles zurechtgebogen, wären noch mehr Kunden abgesprungen», hält Philipp Hadorn fest. «Die Führungsfehler soll nun das Personal ausbaden. Zudem litt der WLV unter der mehrwöchigen Sperre der Rheintalstrecke bei Rastatt (D), einem weiteren Sonderereignis. Die Wertberichtigung von 189 Millionen ist auch eine spezielle Geschichte und wirft Fragen zur Transparenz der Rechnungsführung von SBB Cargo auf. Und die von Andreas Meyer an der Medienkonferenz effektvoll beklagte Milliarde an Cargo-Verlusten, die der SBB-Konzern 2003 bis 2012 decken musste, betraf ein ganzes Jahrzehnt, ist nicht neu und rechtfertigt auch nicht einen solchen Abbau. So wenig wie die geplante Teilprivatisie- rung, für die man sich offenbar schön machen will.»

Kurzsichtige Schrumpfung

«Auch die kleineren Bedienpunkte tragen in der Summe zur Auslastung des Gesamtsystems WLV bei. Darum haben die laufenden Schliessungen in den letzten Jahren zu einer Abwärtsspirale geführt», gibt Hadorn zu bedenken. «Kapazitätsabbau ist auch deshalb strategisch falsch, weil für den Güterverkehr in der Schweiz bis 2040 ein Wachstum von 45 % prognostiziert wird. Und die Mittel der Digitalisierung werden den Einzel-WLV wieder konkurrenzfähiger machen.»

Verkehrspolitisch falsch

«Vor allem verlagert die SBB mit der geplanten Schliessung von Bedienpunkten Güterverkehr auf die Strasse und missachtet so den vom Stimmvolk mehrfach geäusserten Wunsch, Güter möglichst auf der Schie- ne zu transportieren. Deshalb erwartet der SEV von SBB Cargo, dass sie mit den Kunden, dem Eigner Bund und den lokalen Behörden Lösungen sucht, die solche Verkehrsverlagerungen auf die Strasse verhindern, wenn nötig in Abweichung vom Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit zugunsten von Bevölkerung und Umwelt!»

Monopolist SBB will vor allem Aufwand reduzieren

Laut SBB ist die Überprüfung der Bedienpunkte im Berner Oberland und Jura besonders dringend. Anzustreben seien regionale Zusammenlegungen wie in Cadenazzo, mit Kombiverkehr auf den letzten Kilometern. Man suche in der neuen «Interessengemeinschaft WLV» mit dem Verband der verladenden Industrie (VAP) und dem VöV gute Lösungen für die Kunden. Doch Frank Furrer, Generalsekretär des VAP, zeigt sich gegenüber kontakt.sev nicht begeistert: «Wie geht man damit um, wenn der Monopolanbieter sagt: Unter fünf Wagen im Tag findet bei uns kein WLV statt? Obwohl der Bund Kunden ab 720 Wagen im Jahr un- terstützt – was pro Arbeitstag übrigens mehr als zwei sind.»

Widersprüchlicher Bund – und Hoffen auf die Kantone

Der Bund subventioniert also die Gleisanschlussbesitzer weiter, doch die SBB will sie nicht mehr bedienen, da sie ab 2019 vom Bund keine Subventionen mehr kriegt, wie Andreas Meyer vor den Medien betonte. Wo bleibt die Logik? Kantone können laut Gesetz zwar Güterverkehr bestellen, so wie Regionalverkehr. Doch bisher tut das nur der Kanton Graubünden.

Beitrag als PDF:kontakt_sev-2018-03 S-19