Abstimmung vom 3. März 2013: Abzocker-Initiative – Idea Spektrum

Abstimmung vom 3. März 2013: Abzocker-Initiative – Idea Spektrum

Abstimmung vom 3. März 2013: Abzocker-Initiative – Idea Spektrum 715 358 Philipp Hadorn

Nur die Initiative stellt die Durchsetzung sicher

PRO

von Philipp Hadorn, Nationalrat der SP, Gewerkschafter

Jetzt kommt sie vors Volk, die Minder-Initiative. Ganze fünf Jahre lang wurde die Vorlage verschleppt und heute werden Studenten als Texter beauftragt, um Leserbriefe zu schreiben. Der Dachverband Economiesuisse investierte um die acht Millionen Schweizer Franken in die Gegenkampagne.

Grenzenlose Masslosigkeit

Dem rechtsbürgerlichen Kleinunternehmer Thomas Minder geht es offenbar um mehr als die Hygiene im Munde. Trybol-Mundwasser macht den Bakterien den Garaus. Dabei setzen rund 20 Personen dieser AG drei bis fünf Millionen Schweizer Franken um. Der Schaffhauser wollte Hygiene auch in die Teppichetagen der Wirtschaft bringen. Die Initiative verschaffte der Empörung über millionenschwere Fallschirme, Willkommensgeschenke und Gehälter Luft. Antritts- und Abgangsentschädigung von rund 12,5 Mil­lionen Franken an den glücklosen letzten Swissair-Chef Mario Corti lösten bei Minder eine natürliche und richtige Reaktion aus: Es darf nicht sein, dass sich Mitglieder von Geschäftsleitungen Millionengehälter gewähren, während tausende Beschäftigte ihre Stelle, zahlreiche Aktionäre und Lieferanten ihr Geld verlieren.

Jesus lehrt andere Werte

Nun kämpft der inzwischen in den Ständerat gewählte Managerschreck aus Schaffhausen gegen die Übermacht der kapitalschweren Wirtschaftselite. Denn eines ist klar: Während Manager für Kurzzeiteinsätze Millionen einstecken, veranstalten sie nicht selten Reorganisationen mit Entlassungen, was in gewissen Kreisen offenbar als Leistungsausweis dient.

Gier ist die Ursache vielen Übels. 38 Mal finde ich das Wort in der Bibel. Salomo schreibt: «Die Gier der Frevler stösst Gott zurück» (Sprüche 10,3). Gier, Verrat, Masslosigkeit und Rücksichtslosigkeit stellt die Bibel Grosszügigkeit, Gerechtigkeit, Erbarmen und Liebe gegenüber.

Die Minder-Initiative ist kein Wundermittel für Gerechtigkeit. Mit dem Pensionskassengeld sind alle Beschäftigten indirekt Aktionäre. Die Flucht von Wirtschaftsführern ist unrealistisch. Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt und Mafiajäger Paolo Bernasconi meint zum Ausnahmefall: «Wenn einer geht, nur wegen des Geldes, ist er nichts anderes als ein Söldner.»

Jesus lehrte uns andere Werte als masslose persönliche Bereicherung. Die Aktionärsdemokratie der Minder-Initiative ist umsetzbar. Mit den Sanktionsmöglichkeiten stellt sie im Gegensatz zum Gegenvorschlag auch deren Durchsetzung sicher.

Reich Gottes sichtbar machen

Ich bin überzeugt, dass die Initiative Signalwirkung haben wird. Mit einem zukünftigen Ja zu den Initiativen 1:12, Mindestlohn, Erbschaftssteuer und Abschaffung der Pauschalbesteuerung dürfte etwas mehr Reich Gottes in dieser Welt sichtbar werden.

Initiative macht KMU zum Spielball der Politik

KONTRA

von Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes

KMU brauchen gesunde und stabile Rahmenbedingungen, um sich weiter zu entwickeln. Rechtssicherheit, Garantie des Privateigentums und nicht zuletzt Raum für Eigenverantwortung sind die Hauptpfeiler des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Die Minder-Initiative vernichtet alle drei Aspekte und macht die Unternehmen zum Spielball der Politik.

Die Initiative kriminalisiert

Ist das erstaunlich? Vielleicht. Immerhin präsentiert sich die Initiative als Kampf für mehr Anstand und Fairness in der Wirtschaft. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass sie nur Regulierungskosten verursacht und die Aktionäre – immerhin die Eigentümerinnen und Eigentümer einer Firma – entmachtet. Nach Minder machen sich alle Aktionäre, die ihrer Geschäftsleitung vertrauen, strafbar. Nämlich dann, wenn sie dieser aus Gründen der unternehmerischen Flexibilität an Stelle eines abschliessenden Beschlusses nur einen Rahmen in Lohnfragen vorgeben möchten. Umgekehrt wird die Geschäftsleitung für praktisch jede Personalfrage auf höherer Managementebene das Aktionariat befragen müssen. Und auch die Pensionskassen werden – unter Androhung von Freiheitsstrafen – an jeder Generalversammlung teilnehmen müssen.

Was bewirkt das? Unternehmen verlieren so an Flexibilität und Geschwindigkeit, strategische Ebene und tägliche Führung vermischen sich und viele neue Kosten entstehen. Damit die Pensionskassen ihre Verpflichtungen wahrnehmen können, brauchen sie mehr Personalressourcen, was wiederum ihre Gebühren in die Höhe treibt, ohne mehr Erträge zugunsten besserer Pensionsrenten zu generieren. Die Minder-Initiative ist ein bürokratisches Ungetüm, das letztlich «Kleinsparer» massiv benachteiligt.

Brandgefährlich für KMU

Oft wird gesagt, die Initiative betreffe die KMU nicht. Das stimmt nicht. Erstens schwächt sie die Schweizer Wirtschaft als Ganzes. Zweitens ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Minder-Regelungen auf KMU ausgedehnt würden. Sind Regulierungen einmal geschaffen, hungern sie nach Ausdehnung in alle Richtungen. Zuletzt stellt die Minder-Initiative wesentliche Faktoren des Wirtschaftsstandortes Schweiz infrage: Rechtssicherheit, Privateigentum und Eigenverantwortung werden durch Entmachtung, Bevormundung und Staatsplanung ersetzt. Das betrifft die KMU direkt!

Die richtige Richtung: ein Nein

Gibt es Alternativen? Ja! Mit der Ablehnung der Minder-Initiative tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Er ist eine ausgewogene Lösung auf Gesetzesebene, welche den Firmen Anreize gibt, fair zu wirtschaften, ohne jedoch ein enges Zwangskorsett zu schnüren. Während die Minder-Initiative die Kleinsparer benachteiligt, schiebt der indirekte Gegenvorschlag dem Abzocken einen Riegel vor. Ein Nein zur Minder-Initiative ist ein Ja zum indirekten Gegenvorschlag und damit die richtige Richtung.

Abzocker-Initiative: Darum gehts am 3. März

Ziele der Vorlage: Die Initiative will die Managerlöhne senken und Abgangsentschädigungen verbieten.

Was ändert? Die Aktionäre bestimmen über die Gesamtsumme der Vergütungen. Pensionskassen müssen im Interesse ihrer Versicherten stimmen. Abgangsentschädigungen, Vorausvergütungen und Prämien für Firmenkäufe und -verkäufe werden verboten.

Argumente dafür: Überrissene Löhne und Boni werden verhindert. Die Abschaffung von Depot- und Organstimmrechtsvertretungen stärkt die Rechte «echter» Aktionäre. Die jährliche Wahl des Verwaltungsrats ermöglicht ein schnelles Feedback auf dessen Arbeit. Die Einschränkung der Anzahl Beschäftigungen ausserhalb der Unternehmung beugt Interessenskonflikten besser vor.

Argumente dagegen: Da es keine Maximalbeträge gibt, werden überrissene Löhne und Boni nicht verhindert. Die jährliche Wahl des Verwaltungsrats fördert kurzfristiges Denken und risikoreiche Investitionen. Heutige Vergütungssysteme verfolgen bereits das Ziel, die tatsächlich erbrachten Leistungen des Managements zu vergüten und zu hohen Löhnen vorzubeugen.

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN AM 13. Februar 2013 IM IDEA SPEKTRUM SCHWEIZ